Von Idealer Filmerzeugung zu digitalen „Revolutionen“

  • Film als sinnliches Medium abseits des projizierten Bildes
Vortrag

Vortragende

Florian Bettel , Wratschko, Karl

Datum

  • 10. Mai 2013–13. Mai 2013 Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Dresden, Deutschland

Schlagwörter

Technikgeschichte

Abstract

Der Frühzeit des Kinos entstammt ein außergewöhnlicher Film, der 1914 die ideale Filmproduktion mit Hilfe des neuen Mediums selbst veranschaulichen sollte: Der rund sieben Minuten lange gleichnamige Streifen zeigt die technischen Abläufe der Kinematographie von der Herstellung des Filmmaterials über die Arbeit vor und hinter der Kamera bis zum Versand einsatzfähiger Kopien – ausgeführt ohne menschliches Zutun von den Artefakten selbst. Mittels Stop-Motion-Animation schien „Die ideale Filmerzeugung“ die Wunschvorstellung einzulösen, von der Foto- und Filmpioniere wie William H. F. Talbot bereits länger träumten: Der Film blendete den Faktor Mensch sowohl in der Produktion als auch in der Anwendung von visuellen Medien aus, die fotografische Reproduktionstechnik entspräche demnach einem Pencil of Nature – dem idealen Werkzeug für naturwissenschaftliche und technische Analysen. In der Frühzeit des neuen Mediums konnte der Traum von der idealen Filmerzeugung jedoch nur mittels der Tricktechnik geträumt werden. Die Produktionsprozesse, Filmkolorierung und -viragierung sowie der damals übliche Positivschnitt, waren nur manuell zu bewältigen, eine rein industrielle Fertigung erschien unmöglich. Jede Kopie entsprach somit einem Original. Die kostenintensive Herstellung sowie das teure Filmmaterial sorgten dafür, dass Film als Meterware angeboten wurde, je nach Bestellung unterschied sich ein Film in seiner handwerklichen Bearbeitung (z.B. Farbgebung) sowie durch unterschiedliche Längen auch in inhaltlicher Hinsicht. Kinobetreiber konkurrierten sich mit der unterschiedlichen technischen Ausstattung eines Filmstreifens auf dem sich – rein filmographisch gesehen – der „gleiche“ Film befand. Mit der Professionalisierung der Herstellung setzte in den 1920er Jahren eine Standardisierung ein, die trotz einiger technischer Neuerungen (Tonfilm, Cinemascope, Technicolor usw.) die Materialität zugunsten der Visibilität in den Hintergrund treten ließ. Diese Entwicklungen setzen sich durch die Transformation der Filmtechnik in Richtung digitaler Aufzeichnungs- und Projektionsmöglichkeiten fort. Ausgehend vom Beispiel „Die ideale Filmerzeugung“ soll der Vortrag Film abseits des visuellen Bildes behandeln und die technische Bearbeitung des Filmstreifens in der Frühzeit der Kinematographie, die im Gegensatz zu inhaltlichen Gesichtspunkten noch wenig Beachtung findet, in den Fokus rücken. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie seine technischen, materiellen und sinnlichen Eigenschaften Film als Quelle der Technikgeschichte fruchtbar machen können. Automatisierte Herstellungsprozesse, wie sie etwa „Die ideale Filmerzeugung“ imaginiert, stellen dabei die Antithese zu sinnlicher Technikwahrnehmung dar. Film als der Idealtypus des Kunstwerks im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit muss in seiner Frühzeit jedoch viel eher als Handwerksstück gesehen werden, welches sich anhand einer Vielzahl von Originalen manifestiert, die als eigene Werke sinnlich zu erfahren und zu erleben sind.

Titel der Veranstaltung

22. Jahrestagung der Gesellschaft für Technikgeschichte (GTG)

Veranstalter*innen

Gesellschaft für Technikgeschichte , Krebs, Stefan

Ort

Adresse

  • Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Dresden, Deutschland
  • Zellescher Weg 18
  • 01069 Dresden
  • Deutschland

Mediendateien

  • Bild
  • Dokument
Veröffentlicht Von: Florian Bettel | Universität für Angewandte Kunst Wien | Veröffentlicht Am: 09. Mai 2022, 11:48 | Geändert Am: 26. Januar 2023, 13:16