Die Politik des Dialekts in der österreichischen Filmavantgarde

Vortrag

Datum

  • 29. Mai 2008–30. Mai 2008 Gent (Belgien)

Schlagwörter

Medienforschung, Kunstwissenschaften, Österreich, Filmavantgarde, Sprache, Umgangssprache

Abstract

Die soziopolitische Stellung des österreichischen Dialekts in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg spiegelte die kulturelle Identitätskrise des Landes wider. Wer ein genuines österreichisches Deutsch reklamierte, das sich sowohl phonetisch als auch lexisch von jenem des Nachbarlandes unterschied, demonstrierte den Wunsch nach einer eigenständigen sprachlichen Identität, fernab von pangermanischen Stereotypen. Zum anderen aber haftete gerade der Mundart der Geruch der Scholle an. Sie mußte sich dem Vorwurf stellen, „volkstümlich“ zu sein und nationalsozialistische Stereotypen zu prolongieren. Im Bereich des Films ist es auffällig, daß der österreichische Heimatfilm der 1950er Jahre Regionalismus feierte, zugleich es aber vermied, regionale Dialekte einzusetzen, wohl deshalb, weil der kommerzielle Spielfilm hauptsächlich für den deutschen Markt bestimmt war und eine wichtige Rolle für die Propagierung Österreichs als Tourismusland spielte. Dialekt wurde in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl von der offiziellen Hochkultur als auch von der Populärkultur gering geschätzt. Hingegen war es die „Wiener Gruppe“, die den Dialekt als Mittel von Sprach- und Gesellschaftskritik für sich entdeckte. In den Dialektgedichten von H.C. Artmann, Oswald Wiener, Gerhard Rühm u.a. sollte eine Umgangssprache beim Wort genommen und als eigenständiges Sprachmaterial für Literatur mit Avantgarde-Anspruch verwendet werden. Durch den Einsatz des Dialekts wird neben dem klanglichen Reichtum die Unmittelbarkeit des Ausdrucks und die mögliche Resemantisierung der Worte durch Verfremdung gesucht. Die etwa zeitgleich mit den Arbeiten der „Wiener Gruppe“ entstandenen Avantgardefilme setzten diese Entwicklung im Bereich des Films fort. Am Beispiel von Peter Kubelkas Mosaik im Vertrauen (1955) und Ferry Radax’ Sonne halt! (1959-1962) soll dieses besondere Verhältnis der österreichischen Filmavantgarde zum Dialekt zur Diskussion gestellt werden.

Titel der Veranstaltung

First biennial conference of the European Network for Avant-Garde and Modernism

Veranstalter*in

Universität Gent

Aktivitätenlisten

Veröffentlicht Von: Gabriele Jutz | Universität für Angewandte Kunst Wien | Veröffentlicht Am: 09. Mai 2022, 11:08 | Geändert Am: 24. November 2022, 09:21