Technik, Kommerz und Totenkult

  • Die technische Vision der pneumatischen Leichenbeförderung zum Wiener Zentralfriedhof von 1874
Beitrag in Sammelband

Ort, Datum

Bielefeld, Deutschland, 2012

Schlagwörter

Bestattung, Kulturgeschichte, Kulturwissenschaft, Pneumatik, Rohrpost, Stadtgeschichte, Technikgeschichte, Wissenschaftsgeschichte, Friedhof, Feuerbestattung, Stadthygiene, Technische Utopie

ISBN/ISSN/ISMN, DOI

Abstract

1874 wird der neue Zentralfriedhof in Wien eröffnet. Die Kommunalverwaltung hat dieses Projekt über viele Jahre hinweg verfolgt und gegen heftige Widerstände schlussendlich durchsetzen können. Im selben Jahr erscheint die Publikation Begräbnisshalle mit pneumatischer Förderung für den Central-Friedhof der Stadt Wien des Ingenieurs Franz Ritter von Felbinger (1844–1906) und des Architekten Josef Hudetz (1842–1909). In ihrer Schrift stellen sie das Konzept einer Bestattungsmaschine vor, die einen „Umschwung im Systeme der Leichenbestattung“ bringen und damit „die Aufmerksamkeit aller civilisirten [sic] Völker auf sich ziehen“ soll. Die beiden Autoren greifen für ihre Vision auf die Pneumatik als Antriebskraft zurück, die zur damaligen Zeit international als Möglichkeit angesehen wird, den urbanen Raum mit neuartigen Transport- und Kommunikationsmitteln auszustatten. Da die Gemeinde Wien den Zentralfriedhof peripher errichten hat lassen, muss mit der Eröffnung am 1. November 1874 auch die Frage geklärt werden, wie von diesem Tag an alle Verstorbenen Wiens effizient und hygienisch zum neuen Friedhof überstellt werden können. Felbinger und Hudetz sind mit ihrem System nicht die einzigen Unternehmer, die sich um die Umsetzung ihrer Idee bei der Kommune bemühen, allerdings rage ihr Vorschlag ob seiner Dreistigkeit aus der Menge heraus – wie ein zeitgenössisches französisches Journal nicht ohne Bewunderung kommentiert. Im Grunde handelt es sich bei ihrem Vorschlag um eine Art Rohrpost, mit der die Leichen zum Zentralfriedhof überstellt werden sollen. Die Umsetzung ihrer Vision stellen Felbinger und Hudetz folgendermaßen dar: Ein zentral gelegener Gebäudekomplex vereint Aufbahrungshallen und technische Infrastruktur zu einem prunkvollen Ensemble. Der Komplex ist konfessionell unterteilt, das „mittlere grösste Gebäude ist für das Begräbniss der Katholiken, die beiden Seitengebäude, eines für die protestantischen Confessionen, eines für Israeliten bestimmt.“ Bei dem Gebäudekomplex laufen die Leichenzüge aus allen Teilen der Stadt zusammen. Die Trauergemeinden finden sich in einer der betreffenden Aufbahrungshallen ein, wo die Verstorbenen auf dem hydraulischen „Versenkungssarkofag“, eine Art Katafalk, aufgebahrt werden.

Band, Seiten

43–64

Sprache, Format, Material, Ausgabe/Auflage

Deutsch

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Veröffentlicht Von: Florian Bettel | Universität für Angewandte Kunst Wien | Veröffentlicht Am: 09. Mai 2022, 11:46 | Geändert Am: 24. November 2022, 09:08