Transfer Projekt Damaskus

Rezension

Autor*in

Winder, Christoph

Ort, Datum

Wien, Österreich, 2004

Schlagwörter

Bildende Kunst, Kulturwissenschaft, Stadtforschung

ISBN/ISSN/ISMN, DOI

Beschreibung

9/11, M-II: Seit den menschlichen und politischen Katastrophen, für die diese schicksalsschweren Abbreviaturen stehen, wandelt die arabische Welt ständig am Rande des Pauschalverdachts entlang, dass sie sich ohne nennenswerten inneren Widerstand zur größten Brutstätte des internationalen Terrorismus entwickelt habe. Das Arsenal an Missverständnissen und Missbefindlichkeiten zwischen dem christlichen Abendland und dem Islam (der sich natürlich nicht auf die arabische Welt beschränkt und diese auch keineswegs erschöpfend definiert, aber dort doch sein spirituelles Gravitationszentrum hat) ist offenkundig wieder einmal bis zum Bersten gefüllt und scheint den globalen Kulturkampfszenarien des mürrischen US-Politologen Samuel Huntington Recht zu geben. Dass das Bemühen um wechselseitige Verständigung intensiviert werden sollte, ist inzwischen nicht mehr nur einem kleinen Kreis politischer Connaisseure bekannt. Nur: Dort wo diese Art des west-östlichen »Dialogs« überhaupt stattfindet, tut er dies meist in den begrenzten und von einem spezifischen Erkenntnisinteresse geprägten Sphären der Politik und der Wirtschaft. Wo es hingegen um Kultur, in jedem Sinne, geht, tun sich sogleich tiefe Kluften auf. Nur in einigen hochspezialisierten Sub-Szenen (Archäologie etc.) lässt sich ein dauerhafter und institutionalisierter Austausch überhaupt feststellen. […] Ähnlich polyvalente Botschaften strahlt ein spektakulärer Motorradhelm von Constantin Luser aus: Luser hat den Gegenstand, eines von jenen vielen herzlos gefertigten industriellen Massenprodukten, die in unserem Alltag allgegenwärtig sind, von Handwerkern im Souk von Damaskus mit kostbaren Holzintarsien verzieren lassen und so ein befremdlich-schönes Stück geschaffen, in dem die Spannung zwischen West und Ost, Tradition und Moderne, Geschwindigkeit und Langsamkeit in ein- und demselben Objekt gleichsam wie eingefroren erscheint. Andere Projekte umfassen etwa Stadtkartografien von Damaskus (Nikolaus Gansterer), eine einlässliche Erforschung von Leben und Arbeit des syrischen Kosmonauten Muhammed Faris, der auch mit seinem österreichischen Kollegen Franz Viehböck ins Gespräch gebracht wurde (Barbara Lippe, Florian Bettel), oder Fotos des syrischen Medienkünstlers Erfan Khalifa, der die »urbanen Spinnennetze« abgelichtet hat, welche von Straßenbahnleitungen in den Himmel gezeichnet werden. Alle diese Arbeiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich dagegen sperren, den Rezipienten mit einem vorgefertigten kleinen Instant-Sinn abzuspeisen, sondern sie vertrauen vielmehr auf dessen Fantasie, Intelligenz und Bereitschaft, sich auf mentale Erkundungsreisen einzulassen.

Band, Seiten

135, 109–110

Sprache, Format, Material, Ausgabe/Auflage

Deutsch

Aktivitätenlisten

Mediendateien

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Veröffentlicht Von: Florian Bettel | Universität für Angewandte Kunst Wien | Veröffentlicht Am: 09. Mai 2022, 11:43 | Geändert Am: 24. November 2022, 09:06