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#ScreenTime 06.12.2018 – 02.02.2019 Tiroler Künstler*schaft – Neue Galerie Der Körper ist Ausgangs-und Untersuchungsobjekt in den künstlerischen Arbeiten der in Wien lebenden Medien- und Performance-Künstlerin Barbis Ruder. Sie mischt diesen mit Themen wie Wirtschaft, Arbeit, Intimität und Konvention in komplexe Kompositionen, die sich sowohl in bewegten Bildern als auch in Sound, Skulptur und Installationen im Raum manifestieren. Barbis Ruder schafft so Werke, die sie im Ausstellungskontext, im öffentlichen Raum und auf der Bühne umsetzt. Häufig ist es ihr eigener Körper den sie inszeniert, so auch bei ihrer Performance DOWN DOG IN LIMBO, 2015, für die sie ihren Körper, ergänzt durch Orthesen, in ein Metallgerüst einspannte. Bei der performativen Arbeit Wertschöpfungskette: 2F – Attacke 2016 stand der Körper im Mittelpunkt – gemeinsam mit anderen, warf sich die Künstlerin gegen Glastüren von Kunstinstitutionen. Aktuell entwickelt sie im Rahmen des Doktoratsstudiums „Künstlerische Forschung“ an der Universität für Angewandte Kunst unter Betreuung von Peter Weibel Skulpturen im Spannungsfeld von Medizin- und Körpertechniken. 2014 erhielt sie den renommierten H13 Performancepreis des Kunstraums Niederösterreich und war 2017 für den Kardinal-König-Preis nominiert. Barbis Ruder lässt immer wieder Kritik am Kunstmarkt und –betrieb in ihre Arbeiten einfließen, wie die performativen Rauminstallation #ScreenTime in der Neuen Galerie zeigt. Diesmal aber dreht sie „den Spieß um“, wie Nina Schedlmayer in ihrem Blog[1] anmerkt. Innerhalb des Galeriesettings bietet die Künstlerin anderen Galerien Platz an, um sich darzustellen. Auch Künstler_innen haben die Möglichkeit sich zu präsentierten und Bildschirmzeit während der Laufzeit der Ausstellung zu buchen. Weiters werden Logoplacements auf der Sponsorenwand hinter dem Galerieschreibtisch und Logobestattungen im Raum dahinter angeboten. Als Postergirl wird die von Barbis Ruder geschaffene Figur „INFLUENCA“ inszeniert. Ihren ersten Auftritt hatte INFLUENCA bei ihrem eigenen Geburtsritual am 01. März 2018 in Wien. Im übergroßem Kostüm mit grauer Perücke, Plateauschuhen und einem unvergesslichen Lachen hält sie seit dem bei ihren Happynings humorvoll als Retro Virus dem Hype um Influencern einen Spiegel vor: #SuperSocial, #SuperSick. „Influencer, das sind die Personen, die in den sozialen Medien über eine nennenswerte Reichweite verfügen und vermeintlich Einfluss auf ihre vielen Follower haben. Viele Follower in Zahlen gesprochen sind 10.000 bis 1.000 000 und mehr.“[2] Auch die Werbung hat mittlerweile Influencer für sich entdeckt. Influencer Marketing wird auch in den nächsten Monaten weiter an Bedeutung gewinnen und sich wahrscheinlich zu einem der größten Marketing-Phänomenen in der digitalen Welt entwickeln, ist im Marketing Blog InfluPedia zu lesen[3]. Das Internet dient dabei als grenzenlose Projektionsfläche, bei der es häufig nur um Produktplatzierungen und Verkauf geht. In den inszenierten Realitäten ist jeder immer gut drauf, immer happy, die Momentaufnahmen bestehen nur aus Highlights. Weibliche Influencer werden immer mehr zu den Models von heute und Vorbildern der Teenies. Mit INFLUENCA schafft Barbis Ruder ein neues, stark überzeichnetes Role Model. Ihr Facebook-Account wurde mittlerweile zwar gesperrt, aber in Performances und als @realinfluenca auf Instagram übt sie Kritik am Frauen- und Körperbild, aber auch an der Wirtschaft als virale soziale Krankheit, als Horrorshow des Kapitalismus. Müssen Künstler_innen da mithalten, um überleben zu können? Vermarktung scheint für Künstler_innen nach wie vor ein No-Go zu sein, steht doch Selbstverwirklichung an erster Stelle. Die erst kürzlich veröffentlichte Studie zur sozialen Lage der Künstler_innen[4] zeigt die Widersprüchlichkeit zwischen Selbstverwirklichung und Turbokapitalismus einmal mehr auf. INFLUENCA zeigt einen progressiven Weg der Selbstvermarktung auf, die Crowdfunding und InfluencerMarketing ganz selbstverständlich für sich nutzt. Beim Donaufestival in Wien 2018 konnte sich jede_r in ihre Performance #likemetoo einkaufen: entweder wurde ein Tweet auf der Videowall eingeblendet, oder ein Werbespot, aber auch ein Meet & greet auf der Bühne, bei dem man die eigene Message unterbringen konnte, wurde zur Buchung angeboten. In der Neuen Galerie zeigt Barbis Ruder außerdem ein Video-Tripytchon, in dem sie selbst als gackernd lachender Social-Media-Star auftritt. Sie ist nervig, und die 66 Hz Lachattacke geht unter die Haut. Dazu ertönt der Text: „This is INFLUENCA / Now she is on Instagram / She is a product / Her actions are for sale / Her words are for sale / Her body is for sale / She was created to be sold.“ Das ist schließlich das Wesentliche am Influencer-Dasein: Verkaufen, verkaufen, verkaufen![5] So kann man neben Sendezeit und Logoplacement in der Neuen Galerie auch andere Merchandising-Produkte wie #Online Tears, Tränen, die sie bei der Geburt geweint hat, T-Shirts #MySelfie, #CheapShirts und #EDVHeilungen/#ITHealings erwerben. Im Rahmen der Eröffnung gibt es außerdem die Performance #MySelfieTime mit INFLUENCA: Barbis Ruder erweitert und überschreitet die Grenzen künstlerischer Gattungen und konfrontiert die Betrachter_innen mit den Abhängigkeiten zwischen Künstler_in und Publikum. Ist die Figur INFLUENCA die Antwort auf die Widersprüchlichkeit von Selbstverwirklichung und Turbokapitalismus eines Künstler_innenlebens? Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Marke und Firma INFLUENCA weiterentwickeln wird. Dr. Dr. Ruder wird Anfang April 2019 die Firmenvision – vom #InfluencaMarketing zur #InfluencaFoundation – im brut Wien vorstellen. Cornelia Reinisch-Hofmann [1] Nina Schedlmayer, Barbis Influenca, https://artemisia.blog/2018/11/26/barbis-influenca/, abgerufen am: 03.12.2018 [2] Anika Meier, Anika Meier über Influencer in den sozialen Medien, https://www.monopol-magazin.de/influencer, abgerufen: 08.11.2018 [3] Katharina Wieser, Trends, Hypes and Hopes – Influencer Marketing 2018, quo vadis? https://imbstudent.donau-uni.ac.at/influencer-marketing/, 11.08.2018, abgerufen am: 03.12.2018 [4] https://kulturrat.at/agenda/sozialerechte/20181123, abgerufen am 05.12.2018 [5] vgl. Nina Schedlmayer, Barbis Influenca, https://artemisia.blog/2018/11/26/barbis-influenca/, abgerufen am : 03.12.2018