Broken Flowers
Künstler*in
Kurator*in
Datum, Ort
- 16. Juni 2023–08. Juli 2023
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Text
Vernissagenrede (Auszug), Petra Noll-H., 15. Juni 2023 (...) Mit der Ausstellung "Liddy Scheffknecht – Broken Flowers" ist der "Korridor – Raum für aktuelle Kunst" Programmpartner der FOTO WIEN 2023. Die Arbeiten der Künstlerin passen in besonderem Maße zu dem Fotofestival-Thema „Die Lügen der Fotografie“, wo es um die Authentizität von Fotografie, um Sein und Schein, um Realität und Illusion geht – ein Thema, das bereits seit der Erfindung der Fotografie zur Diskussion steht und zu dem man bis heute und vielleicht gerade heute immer wieder neue Aspekte finden kann. Liddy Scheffknecht stellt hier zum großen Teil neu entstandene Fotosequenzen, einzelne Fotoarbeiten und Videos sowie Wachskreidezeichnungen aus. Die interdisziplinär arbeitende Künstlerin beschäftigt sich auf spielerisch-experimentelle Weise mit der Wahrnehmung von Wirklichkeit, Zeit und Raum und setzt dabei ungewöhnliche Materialien ein wie Sonnenlicht, Schatten und Erdrotation ein. Wir sehen Situationen, die im ersten Moment nicht ganz ungewöhnlich scheinen, in denen aber dennoch irgendetwas merkwürdig ist. Auf verschiedene Art und Weise hat sie in der Vergangenheit versucht, die Fotografie, die nur einen Moment im Zeitverlauf fixieren kann, ins Filmische zu transferieren. Fotografie wird von ihr um eine filmisch-bewegte Komponente bereichert und kann nun scheinbar das Unmögliche, Zeit als Prozess im fotografischen Bild darstellen. Zum um einen gelang ihr das mit Fotografien, auf die sie sich im Umriss verändernde Schatten der Dargestellten (und damit anscheinend verstreichende Zeit) projiziert und somit Raum-Zeit-Konstrukte zwischen Realität und Fiktion erreicht hat. Diese sind hier nicht ausgestellt. Eine weitere Möglichkeit ist es, Zeitverlauf in fotografischen Sequenzen darzustellen. Diese Ausstellung heißt „Broken Flowers“. Broken: dies soll heißen: eine Gebrochenheit der Situation. Es geht nicht darum zu schauen, was im üblichen Sinn echt oder falsch, denn alles, was wir sehen, ist echt und wahr, auch wenn es, sagen wir ‚gefakt‘ ist. Was die Fotografien erzählen, ist eine von Liddy Scheffknecht konstruierte Wahrheit; wollen wir diese Bilder „lesen“, gilt es zu erkennen, was die Künstlerin sagen will. Flowers – alle Bilder zeigen Pflanzen, wobei diese aber nicht auf einen Naturaspekt o.ä. verweisen, sondern rein als Objekte aufzufassen sind. Aufgrund ihrer Vergänglichkeit ruht in ihnen aber stärker der Zeitaspekt als in den Alltagsgegenständen. Hier werden vor allem Fotosequenzen und Videoarbeiten der Werkgruppe „Sun Works“ gezeigt, poetische Situationen zwischen Sein und Schein mit dem Sonnenlicht und der Erdrotation als Protagonisten. Diese basieren auf Installationen: Zunächst werden Objekte – hier Topfpflanzen oder Schnittblumen und vermeintlich deren Schatten – im Raum installiert. Dazu werden (analoge) Schablonen aus Papier oder Folie in der Umrissform des jeweiligen Objekts bzw. Pflanze auf einem Fenster in der Nähe montiert. Scheint die Sonne durch das Fenster, fallen die Schatten des Papiers oder der Folien in den Raum. Die Erdrotation bewegt das manipulierte Licht- und Schattenbild, das sich von der Form her stetig verändert, durch den Raum, bis die Projektion an dem Objekt/Pflanze anzudocken scheint. Kurz scheint die Situation zu passen, einen Moment lang ist die Illusion perfekt – nämlich dann, wenn der geformte Schatten so fällt, dass es aussieht, als wäre er der reale Schatten der Pflanze. Für ihre Installationen sucht sich Liddy Scheffknecht ganz bestimmte Räume aus und dennoch ist sie auch im Inneren vom Wetter, dem Sonnenlicht und den Tageszeiten abhängig, was häufig zu einem längerdauernden Prozess führen kann. Diese Irritationen hat Liddy Scheffknecht im Laufe der Jahre mit viel Experimentierreichtum erweitert. Wenn wir die Bilder genau anschauen, gibt es überall ein anderes Täuschungsmanöver, aber alle mit der gleichen Absicht: Sie fordern uns auf, genau hinzusehen und uns immer wieder neu zu vergegenwärtigen, wie labil unsere Wahrnehmung ist. FOTOARBEITEN: Wir sehen das Foto eines blühenden gelben Löwenzahnstraußes mit dunklem Schatten, schräg gegenüber hängt das Foto von Pusteblumen mit ebenfalls dunklem Schatten. Schauen wir genau hin, sind beide Schatten von den Umrissen her den blühenden Blumen zugehörig. Der Schatten ist in jeder Beziehung eine Konstruktion. Waren die Schatten in ihren Arbeiten bisher meist dunkel wie in der Realität, sind sie in einigen nun farbig, wie z.B. bei der Serie des blühenden Flieders (syringa), der sogar extremfarbig ist und man doch erst einmal realisieren muss, dass er – durch die Verwendung von farbigen Schablonen am Fenster – Fake ist. Oder bei der Campanula addenda, die einen farbigen Schatten wirft, was zweimal nicht sein kann, da sie nicht einmal mehr blüht. Eine weitere Ebene öffnet sich in der dreiteiligen Fotoarbeit (2014) „Ceci n’est pas une plante“, die – in Folge von Magrittes Pfeife – Objekt, Bild vom Objekt und Text – in einen scheinbar widersprüchlichen Zusammenhang stellt. Hier lässt Scheffknecht das zweidimensionale Foto eines Gummibaums einen Schatten werfen. Eine doppelte Irritation. Aber die Illusion wird auch wieder gebrochen, indem sie die Fotografie durch feine Schlagschatten als Konstrukt zu erkennen gibt. WACHSKREIDEZEICHUNGEN: In den Kontext ihrer Pflanzenarbeiten gehört auch die Serie von drei SW-Wachskreide-Zeichnungen von 2015, ebenso mit dem Titel „Ceci n’est pas une plante“. Technisch wurden sie so realisiert, dass mehrere Schichten Wachskreide, zuerst Weiß, dann Schwarz, auf den Papieruntergrund aufgetragen wurden. Erst durch das Wegnehmen der schwarzen Kreide entsteht ein Bild; das Weiß wird hervorgeholt. Man sieht bei dieser Serie das Fenster mit der Schablone sowie verschiedene Licht- und Schattenwürfe im Raum, der Lichteinfall kommt von oben links. Die drei Bilder sind reine geometrische Konstruktionen, gezeichnet am, aber nicht vom Computer. Alles ist fiktiv, auch die Form des Schattens. Die VIDEOS zeigen kurze Performances, in denen die Künstlerin mit den Gegenständen im Raum und dem modellierten Sonnenlicht agiert. Das Video „crop“ (pflanzen) entlarvt den Fake mit dem Schat-ten. Es zeigt zunächst eine Pflanze in einem grauen Topf mit ihrem grauen Schatten, man sieht das Fenster mit der Schablone. Die Künstlerin kommt mit Pflanzutensilien. Sie nimmt den Blumen-topf weg, der Schatten bleibt. Sie setzt den Topf an eine andere Stelle, der Schatten bleibt. Sie nimmt die Pflanze aus dem grauen Topf und pflanzt sie in einen roten. Sie stellt diesen an die erste Position der Pflanze im grauen Topf. Der Schatten ist nach 3 Minuten der gleiche wie am An-fang. Die Künstlerin räumt auf. Das Video „Ranunculus asiaticus“ funktioniert auf ähnliche Weise. Eine leere Vase Blumen wirft den gelben Schatten einer scheinbar gelb blühenden Pflanze, die aber nicht einmal vorhanden ist. Die Künstlerin füllt orange Blumen in die Vase – die Situation bleibt unverändert trotz den unterschied-lichen Aktionen der Künstlerin. Liddy Scheffknecht hat mit viel Einfallsreichtum Situationen geschaffen, die sie gleichzeitig erzeugt und bricht, alles in dem Ansinnen, uns darauf hinzuweisen, wie relativ das ist, was wir sehen und wahrnehmen.
Eröffnung
2023-06-15
Mediendateien
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