Lassen sich die Bauweisen und der Sound von Gedichten in fotografische Bildsprachen umlegen? Dieses Seminar fragt nach der Übersetzbarkeit von künstlerischen Verfahren. Es untersucht das Verhältnis von literarischem Schreiben und angewandter Fotografie und zeitbasierten Medien. Insbesondere werden wir uns der Beziehung zwischen konzeptuellen Schreibweisen (vor allem aus dem 20. und 21. Jahrhundert) und den künstlerischen Arbeiten der Teilnehmenden widmen.  

Wir werden dabei vor allem auf poetische Verfahren schauen, die Kraft aus formaler Einschränkung schöpfen, etwa das (anti)narrative Potential von Listen, Erasure Poetry, Constraints oder Anagramme. Lassen sich deren Kompositionsregeln und Klänge versuchsweise auf die eigenen fotografischen Arbeitsprozesse übertragen? Welche Verluste und neuen Stoffe könnten aus solchen Transferversuchen hervorgehen? Können formale Einschränkungen Geschichten sichtbar machen, die nicht erzählt werden können, aber doch erzählt werden müssen? 

Das Übersetzen wird auch als Möglichkeit der Verwandlung erkundet: Es geht weniger darum, in einer anderen (Bild)Sprache etwas ähnliches zu erreichen als vielmehr um das Ausloten einer Verschiedenheit; eine Nicht-Ähnlichkeit, die eine Beziehung zwischen Gedicht und Bild aufrechterhält.

Entlang der Lektüre verschiedener Essays (Anne Carson, Melanie Strasser, John Berger) geht es außerdem um das Thema der Unübersetzbarkeit und um die Frage, was etwa kannibalisches Übersetzen heißt, was mit "Transkreation" gemeint ist und wie sich eine Sprache von einer anderen "bewegen" lassen kann. 

Texte (zum Teil auf Englisch) von John Berger, Gwendolyn Brooks, Anne Carson, Liz Howard, Jeff Derksen, Audre Lorde, M. NourbeSe Philip, Christian Hawkey/Uljana Wolf, Solmaz Sharif, Melanie Strasser, Unica Zürn u.a.

Voraussetzung für den Punkteerwerb ist die Teilnahme an 80 % der Seminartermine, die Anwesenheit bei der ersten Sitzung  sowie die Vorstellung von einem poetischen Konzept und die Präsentation einer fotografisch-künstlerischen Arbeit. 

Gruppengröße: 15.

Das Seminar wird auf Deutsch gehalten aber einige der Gedichte und Essays, die wir durchnehmen, lesen wir im Original (auf Englisch).