Technologien/Praxen | Künstlerisches Medium: Textil
Barbara Graf
Institut für Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung, Textil - Freie, angewandte u. experiment. künstl. Gestaltung
2025W, künstlerisches Seminar (SEK), 2.0 ECTS, 2.0 SemStd., LV-Nr. S03065
Beschreibung
mittwochs, 13:45-17:15 // Seminar ist ausgebucht (Anfragen für Warteliste per mail)
ZUVIEL/ZUWENIG
Von Fehlstellen, Leerstellen, Löchern, Lücken, Mängeln, Wunden, Fissuren, Verletzungen, Rissen, Spuren, Staub, Flusen, Überflüssigem, Flecken, Verschmutzungen, Abdrücken, Makeln…
Der Titel des Seminars steht für eine Lücke – etwa eine Leerstelle – oder für ein Dazugekommenes, wie beispielsweise einen Fleck. Das „ZU“ verweist auf eine Bewertung, die einerseits subjektiv, andererseits jedoch von normativen Strukturen, sozialen Konventionen oder vorherrschenden Blicken geprägt ist. Auf welche Maßstäbe berufen wir uns, wenn uns etwas als zu viel oder zu wenig erscheint? Wann wird eine Abweichung zur Störung?
Was erfahren wir über die vermeintliche Abweichung? Sind Spuren auf Stoff bloße Gebrauchsspuren – oder Erinnerungen an Körper, Berührungen, Bewegungen? Abweichungen sind nicht nur soziale Zuschreibungen – sie sind auch affektiv erfahrbar. Ein Fleck kann Ekel auslösen oder intime Erinnerungen wecken. Eine Leerstelle kann verunsichern, eine Narbe Verwundbarkeit sichtbar machen. Auch Körper, die nicht in normative Raster passen, werden von Sara Ahmed als „out of line”, bezeichnet (Ahmed, Queer Phenomenology, 2006, S. 66).
Flecken und Makel haben das Potenzial, das Selbstverständliche zu irritieren. Leerstellen können als Normbrüche fungieren und neue Sichtweisen eröffnen: Lücken oder Störungen, die Neuerfindungen ermöglichen und Ambiguitäten zulassen. So geht es weniger um Bewertung als um einen Perspektivenwechsel – darum Ereignisse, Verhältnisse, Handlungen neu zu betrachten. Sara Ahmed beschreibt die Norm als die Art und Weise, wie wir in ein Leben eingetaucht sind, und die Reflexion darüber entzieht sich dem Eintauchen und kann diese Existenz transformieren (Ahmed, On Being Included, 2022, S. 173 ff.).
Leerstelle und Fleck – so gegensätzlich sie erscheinen – haben etwas gemeinsam: Sie entziehen sich der Eindeutigkeit. In ihrer Uneindeutigkeit liegt ein künstlerisches Potenzial. Wenn es nicht um Bewertungen oder die Akzeptanz kultureller Codierungen geht, müsste ich den Seminartitel eigentlich gleich wieder zurücknehmen– dennoch:
Beobachtungen des Phänomens des Zuviels oder Zuwenigs sind alltäglich, spielen aber auch eine entscheidende Rolle im künstlerischen Prozess. Zum Beispiel kann eine Verdichtung einer künstlerischen Erkenntnis durch Reduktion oder Dekonstruktion entstehen – durch eine minimalistische Wiederholung oder explizite Leerstellen, die nicht das Fehlen von etwas, sondern die Lebendigkeit des Unabgeschlossenen, des Nicht-Kompletten verkörpern.
Im Fokus des Seminars steht das Verhältnis von Körper und Textil sowie deren Kontextualisierung im physischen und sozialen Raum. Ausgangspunkt der künstlerischen Projektarbeit kann eine alltägliche Beobachtung des Zuviels oder Zuwenigs sein – oder die Reflexion darüber, warum etwas als (körperlicher) Makel oder Abweichung gesehen wird. Die Projektarbeit basiert auf reflexiven Prozessen, materiellem Experimentieren, Beobachtungen und künstlerischen Transformationen sowie der Erkundung des Potenzials der Störung, des vermeintlichen Makels – als verrutschte Bedeutung oder Umstülpung des Selbstverständlichen.
Prüfungsmodalitäten
Regelmäßige und aktive Teilnahme, Erarbeitung eines künstlerischen Projektes, Präsentation im Rahmen der DEX-Semesterpräsentationen, Abgabe einer digitalen Kurzdokumentation.
Anmerkungen
Das Seminar wird angeboten in Kombination mit: Künstlerische Projektarbeit | Künstlerisches Medium: TextilLV-Nr. S03066 (bitte dort auch anmelden)
Es wird empfohlen, diese FOR-PHASE Lehrveranstaltung erst nach Absolvierung der GO-PHASE zu belegen.
Schlagwörter
Textil, Körper, Leerstelle, Risse, Wunden, Flecken, Abweichung, Störung, Makel, Diversität
Termine
15. Oktober 2025, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
22. Oktober 2025, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
29. Oktober 2025, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
05. November 2025, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
12. November 2025, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
19. November 2025, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
26. November 2025, 13:45–17:15 DKT_2, 2. OG, VZA7 (Raum 225)
03. Dezember 2025, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
10. Dezember 2025, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
17. Dezember 2025, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
07. Jänner 2026, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
14. Jänner 2026, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
21. Jänner 2026, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
28. Jänner 2026, 13:45–17:15 Schneiderei, VZA7, 3. OG (Raum 308)
LV-Anmeldung
Ab 01. September 2025, 09:00
Per Online Anmeldung
Studienplanzuordnung
Lehramt: Unterrichtsfach dex (Bachelor): Künstlerische Praxis (dex): FOR: Technologien / Praxen (dex) 074/001.21
Mitbelegung: nicht möglich
Besuch einzelner Lehrveranstaltungen: nicht möglich