Die Geschichte der modernen Malerei ist bekannt als eine Verkettung ihrer Enden. Ob mit Blick auf die Ausdifferenzierung medialer Zuständigkeiten im Abtausch zwischen Malerei und Fotografie – vorwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – oder in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts als vermeintlicher Konsens über das Unvermögen einer zu Markte getragenen, theoretischen und praktischen Ansprüchen der Gegenwart nicht gerecht werdenden Malerei, die Formel vom “Ende” kehrt wieder wie ein Gespenst. Das Diagnostische begleiten die Paradoxien zuspitzende Appelle, wie im Fall der Titel und Motto eines Bildes von Jörg Immendorff aufgreifenden Ausstellung Stop Painting (2021) in der Fondazione Prada in Venedig.

Interessanter scheint mittlerweile ein Blick auf die ebenso zahlreichen Anfänge. Wie veränderte sich das Dispositiv der Malerei in den üblicherweise für ihr Ende in die Verantwortung genommenen historischen Krisen? Welche Begründungsfiguren begleiteten die Umbruchsmomente, in denen die Malerei als Problem auftrat und sie gleichzeitig in veränderter Gestalt neue Legitimation und Fortsetzung fand? Und wie bildete sich das, was bereits als “Malerei nach dem Ende der Malerei” in die Geschichtsbücher einging, als Genre zurück auf ein recht begrenztes Repertoire malerischer Formen? Die Anfänge der Malerei sind keine Gegenerzählung zu den Enden, auch nicht deren dialektisches Pendant, sondern ein Versuch, über die Auseinandersetzung mit den praktischen, theoretischen und historischen Dimensionen vergangener Problemkonstellationen einen Weg in die Gegenwart der Malerei zu finden.

Unter Berücksichtigung der für die Malerei historisch ableitbaren Produktivität ihrer Krisen geht es im Kurs unter anderem darum, die Malerei der Gegenwart als Problem zu formulieren, oder zumindest einige problematische Aspekte zu benennen, wobei die offensichtliche Problemlosigkeit ihrer gegenwärtigen Indienstnahmen am Anfang steht. Erst vor diesem Horizont lassen sich Unterscheidungen treffen und Bewertungen vornehmen, Kriterien für oder gegen spezifische Formen und Rhetoriken entwickeln, die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Malerei in der Gegenwart diskutieren und Überlegungen anstellen, wie Malerei selbst auf die Probleme ihrer Gegenwart eingeht.

Der Kurs kombiniert Lektüreeinheiten und kleinere Exkursionen zu Ausstellungen in Wien. Vorausgesetzt werden die regelmäßige Teilnahme an den Seminarterminen und die Bereitschaft zur Einarbeitung in historische und gegenwärtige Diskurse. Ein theoretischer oder praktischer Beitrag zum im Seminar Besprochenen gilt als Prüfungsleistung, Details werden im Kurs vereinbart. 

Raum 623 ist barrierefrei zugänglich. Weitere Informationen zur Barrierefreiheit: www.dieangewandte.at/barrierefrei