Im Kunsthistorischen Museum in Wien hängt nahezu versteckt in einem Seitenkabinett das "Vanitas-Stillleben“ (1552) des niederländischen Malers Pieter Aertsen. Victor Stoichita, ein Kunsthistoriker, beginnt sein Buch „The Self-Aware Image“ (1999/1993) mit einem Kapitel zu ebendiesem Bild, führt es allerdings als "Christ with Mary and Martha“ an. Die Verwirrung gründet im Bild selbst, das wenigstens zwei Bilder, unterschiedliche Genres und Erzählungen kombiniert. Stoichita prägte u.a. für Bilder dieses Typs den Begriff der Metamalerei.

Ausgehend von Spiegeln, dem Einbezug der Bildebene in die praktische Bedingung der Darstellung, Bildern im Bild, Textelementen, Schwellenobjekten aber auch Fenstern und Wandöffnungen entwickelte Stoichita Überlegungen zum „Selbstbewusstsein“ von gemalten Bildern des 16. und 17. Jahrhunderts, die, so seine These, ihre Medialität, Geschichtlichkeit und historischen Entstehensbedingungen zu reflektieren imstande seien.

Diese Qualitäten abwertend, wurden in den letzten Jahren etliche Einwände gegen Reflexivität und Selbstreflexivität in Kunst, Kunstkritik und Kunstwissenschaft vorgebracht, u.a. wurde der daraus zu gewinnende Erkenntnisgewinn für das Einzelwerk in Frage gestellt, die Unmöglichkeit der zweifelsfreien Unterscheidung zwischen Buchstäblichkeit und Reflexivität negativ konnotiert, Selbstreflexivität als Selbstzweck bemängelt, oder, nun etwas weiter in der Gegenwart, als Einhegung des Aktionsradius das Werk überschreitender Zusammenhänge. An der Bedeutsamkeit einer permanenten Aushandlung der Vermittlungen zwischen bildlicher Präsentation und Repräsentation sowie der historischen Spezifik des Tableaus als Bildgegenstand festhaltend, behandeln wir diese Diskussionen nur am Rande und konzentrieren uns vornehmlich auf das Studium des Buches „The Self-Aware Image“, die darin formulierten Argumente und die von Stoichita herangezogenen Bildbeispiele.

Parallel zur wöchentlichen Lektüre sind kleinere Exkursionen zu Stoichitas Bildbeispielen vorgesehen, neben Aertsen befindet sich bspw. auch Parmigianinos "Selbstbildnis im Konvexspiegel" (1523/1524) im KHM in Wien.

Literatur zum Einstieg in das Thema:

Daniela Hammer-Tugendhat, "Wider die Glättung von Widersprüchen. Zu Pieter Aertsens ‚Christus bei Maria und Martha‘", in: Zeitenspiegelung, hrsg. von Peter P. Klein und Regine Prange, Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1998, S. 95–107.

Christiane Kruse, "Das sieht selber aus wie ein Echo", FAZ, 30.04.1999, https://www.faz.net/-gr0-6q5s4.

Lorenzo Pericolo, "What is Metapainting?", in: Victor I. Stoichita, The Self-Aware Image, Brepols Publishers, Turnhout 2015, S. 11–31.

Bernhard Siegert und Helga Lutz, "Metamorphosen der Fläche. Eine Medientheorie des Trompe-l’Œils von der flämischen Buchmalerei bis zum niederländischen Stillleben des 17. Jahrhunderts", in: Die Wiederkehr der Dinge, hrsg. von Friedrich Balke, Maria Muhle, Antonia von Schöning, Kuturverlag Kadmos, Berlin 2011, S. 253–284.

Victor I. Stoichita, „Embrasures“ [Abschnitt aus dem 1. Teil des Buches] in: Ders., The Self-Aware Image, Brepols Publishers, Turnhout 2015, S. 39–51.

Übernahme einer Diskussionsleitung, regelmäßige Teilnahme an Kurs und Diskussion, gemeinsame Arbeit an einem Schaukasten zu Metamalerei.