Theorie

Elisabeth Schäfer
Institut für Sprachkunst, Institut für Sprachkunst
2022S, wissenschaftliches Seminar (SEW), 4.0 ECTS, 2.0 SemStd., LV-Nr. S04203

Beschreibung

SCHREIBEN ALS WIDERSTANDSPRAXIS: THEORIE – UND – WERKSTATT

Schreiben wendet sich – zumindest zu Teilen – immer an etwas oder jemanden. Es hat eine Adresse. Zugleich gibt es im Schreiben auch eine andere Bewegung, die bisweilen negiert wird, weil es allzu oft als zu leise Tätigkeit gilt. Immer wieder jedoch wurden und werden Texte vernichtet. Menschen, die schreiben, wird diese Praxis untersagt. Es gibt also etwas, das im Schreiben gefährlich werden kann. Schreiben kann sich gegen etwas wenden, widerständige Praxis sein. „Die Revolution ist nicht künstlerisch, aber die Kunst kann revolutionär sein.“ Mit diesen Worten schloss der französische Philosoph Jean-Luc Nancy eine Podiumsdiskussion 2012 im Berliner Behnisch-Baus am Pariser Platz. Was für die Kunst gelten kann, kann und muss auch für das Schreiben in den Blick genommen werden. Mag es gegen das Vergessen, Verschweigen und Ausradieren angehen, mag es sich gegen politische Machtstrukturen wenden, im Fiktionalen eine andere Welt imaginieren oder sich in Gegnerschaft zu Formen des klassischen Kanons entfachen, wo immer es widerständig wird, appelliert das Schreiben, eine Perspektive der grundsätzlichen Offenheit und Unabschließbarkeit sowohl des Prozesses, das es selbst darstellt, in den Blick zu nehmen, als auch aller Prozesse der Bedeutungsgenese. Dass es immer weiter werde, so scheint es zu insistieren. Eine Bewegung ohne Ziel will es anzetteln und dabei nicht beliebig bleiben, sondern gegen Endgültiges, Totales, Fixierendes angehen.

Wir beschäftigen uns in dieser THEORIE – UND – WERKSTATT („Theorie“ ist Werkstatt im Sinne unabschließbaren Denkens; „Praxis“ ist auch Werkstatt, das Tun geht weiter; "Und" ist eine Werkstatt im Sinne des Mitseins und unaufhörlichen Handelnmüssens in einer geteilten Welt) mit vier zentralen Themenfeldern, in denen sich Schreiben als Widerstandspraxis zeigt:

  1. Zeug*innenschaft: Schreiben als Widerstand gegen das Vergessen (Literatur: Maurice Blanchot: Die Schrift des Deasters; Jacques Derrida: Feuer und Asche; Salmen Gradowski: Die Zertrennung)
  2. Systemkritik: Schreiben als Widerstand gegen politische Strukturen und Zustände (Literatur: Cécile Wajsbrot: Zerstörung; Elfriede Jelinek: Stecken, Stab und Stangl; Agota Kristof: Die Analphabetin; Audre Lorde: Sister Outsider; Paul B. Preciado: Mein Körper exsistiert nicht)
  3. Das gefährliche „als ob“ der Fiktionalität: Schreiben erfindet sich und ein anderes Imaginäres in der Fiktionalität (Literatur: Hélène Cixous/ Cécile Wajsbrot: Eine deutsche Autobiographie; Clarice Lispector: Die Passion nach G.H.; Etel Adnan: Im Herzen des Herzens eines anderen Landes; Etel Adnan: Schreiben in einer fremden Sprache; Paul B. Preciado: Das kontrasexuelle Manifest)
  4. Den Kanon befragen: Schreiben als Widerstand gegen die ästhetische Tradition (Literatur: Jacques Derrida: Diese seltsame Institution genannt Literatur; Hélène Cixous: Post-Word; Werner Hamacher: 95 Thesen zur Philologie; Felix Ensslin: Immer zu früh, immer zu spät: Zur Unzeit des richtigen Zeitpunkts)

Die theoretischen Schwerpunkte der Lehrveranstaltung sind philosophisch, queer-feministisch und künstlerisch-forschend. Die genannten Texte werden auf die Base des Instituts für Sprachkunst gestellt. Die LV-Leiter*in gibt Inputs (Einführung + Hintergründe) zur Lektüre, wir lesen ausgewählte Passagen gemeinsam und befragen das Gelesene. Kurz: Die Texte sind unsere Gefährt*innen. Sie können uns dazu anstiften, das eigene Schreiben auf seine Adresse und jene Momente hin zu befragen, wo es sich gegen etwas wendet, wo es Widerstandspraxis wird.

Die Studierenden erhalten Einblick in zentrale philosophische und queer-feministische Themenfelder des 20.ten und 21.ten Jahrhunderts, ästhetische wie ethische Diskurse. Zusätzlich wird produktives Befragen des Gelesenen, Gehörten und Diskutierten sowie Gesprächsführung in inter- und transdisziplinären Zusammenhängen erprobt. Die Teilnehmer*innen an der THEORIE–WERKSTATT arbeiten zudem kontinuierlich an eigenen Texten.  

Prüfungsmodalitäten

Regelmäßige Anwesenheit, engagierte Mitarbeit, Abgabe eines Essays (oder Texts anderer Form) von ca. 5 Seiten am Ende des Semesters.

Schlagwörter

Schreiben, queer-feministische Philosophie, Philosophie, künstlerische Forschung

Termine

18. März 2022, 10:00–13:00 Seminarraum 10
01. April 2022, 10:00–13:00 Seminarraum 10
29. April 2022, 10:00–13:30 Seminarraum 10
13. Mai 2022, 10:00–13:30 Seminarraum 10
20. Mai 2022, 10:00–13:30 Seminarraum 10
03. Juni 2022, 10:00–13:30 Seminarraum 10
10. Juni 2022, 10:00–13:30 Seminarraum 10
24. Juni 2022, 10:00–13:30 Seminarraum Sprachkunst

LV-Anmeldung

Von 29. Jänner 2022, 09:00 bis 22. Februar 2022, 23:59
Per Online Anmeldung

Mitbelegung: möglich

Besuch einzelner Lehrveranstaltungen: möglich