You Will Be Linked To — Dirty Typography and Messy History

Wessen Erzählungen prägen unsere ­Praxen im Grafikdesign? Auf wessen ­Schultern sitzen wir? Welche Dringlichkeiten bestimmen die Zukünfte des ­Designs?

Die zweiseitige Praxis des Lesens und Schreibens ist direkt in das Wort Typo­grafie eingeschrieben. Dem Griechischen entlehnt, hat es zwei Ursprünge: „týpos“ bedeutet „Gestalt“ oder „Abdruck“ und „-graphie“ steht für „schreiben“. Um diese binären Qualitäten zu erweitern, wird die Typografie in dem Workshop um die Zuschreibung „dirty“ ergänzt. Offensichtlich verweist „dirty“ (zu deutsch: schmutzig) auf eine Menge Dinge, wie: etwas ist böse, ungezogen, nicht sauber oder nicht gut. Im Rahmen dieses Workshops ist die Referenz geliehen von der Textildesignerin, Forscherin und Autorin Marjanne van Helvert. Sie graduierte 2013 an der Rietveld Akademie in Amsterdam mit dem Forschungsthema „Dirty Design“ und rief zur Wertschätzung für das Uneindeutige, für das Ausgefranste und Persönliche auf. Die schmutzige Seite der Typografie provoziert mehrdeutige Arten von Lesen und Schreiben, die relationale, fragmentierte, verkörperte und prozesshafte visuelle Übersetzungen zulassen, die in diesem Workshop erprobt werden sollen.

Darüber hinaus begleitet uns noch ein weiterer Schwerpunkt: „Messy History“. Die Designtheoretikerin Martha Scotford veröffentlichte 1994 den Text „Messy History vs. Neat History: Toward an ­Expanded View of Women in Graphic Design“. Darin widerspricht sie der Abbildung von Designgeschichte in sortierten Boxen, linearen Epochen, herausragenden Einzelleistungen und beklagt den nicht exis­tenten Zustrom von neuen Akteur:innen, weil das design-geschichtliche Referenzsystem nur auf sich selbst und die bereits kanonisierten Biografien zurück verweist. Sie entmythologisiert Designarbeit, die schon immer kollaborativ war, und plädiert für das Besprechen gemeinschaftlicher ­Anstrengungen und Beziehungen im Entwurfsprozess, sowie Positionierung und Dialog mit Auftraggeber:innen und Gesellschaft. Ihr Text artikuliert den eindrücklichen Vergleich von „Neat History“ als Ausdruck für die konventionelle Geschichte und „Messy History“ als widerspenstiges Einschreiben der visuellen Alltagskultur, der nicht-normativen, persönlichen und ausdrucksstarken Designaktivitäten fernab von hohen Auflagen. In dem Workshop ­blicken wir in die Designgeschichte, um unsere Werkzeuge, Haltungen und Absichten zu überprüfen und miteinander in Dialog zu treten.

In der Workshopwoche werden schmutzige typografische Verlinkungen zu einer gemeinschaftlichen Auswahl an Texten und Vorträgen über die Verfassheiten der der Disziplin Grafik Design gestaltet. Es entsteht ein Onlinearchiv, das langfristig allen zugänglich bleibt, um ­Diskurse im Design und in der Designgeschichte zu sammeln. Alle Teilnehmer:in­nen wählen dazu eine Quelle und entwickeln digitale Anzeigen, um die verschiedenen Stimmen und Auseinandersetzungen anzukündigen bzw. zur Quelle zu verlinken. Über den typografischen und editorischen Prozess soll das Material in der Essenz erfasst, die Thesen der Autor:innen reflektiert werden und ein Modell von typografischen Assoziationen entstehen.

Laufende Teilnahme und Mitarbeit, Abschlußpräsentation

Bitte analoge und digitale Arbeitsmittel mitbringen wie  Laptop, Kamera, Papier, Zeichenuntensilien etc.