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Theresia Prammer
Institut für Sprachkunst, Institut für Sprachkunst
2020W, Vorlesung und Übungen (VU), 2.0 ECTS, 2.0 SemStd., LV-Nr. S03520

Beschreibung

„herrenlos brennt die sonne“
(N. C. Kaser)

Dass die temporäre Aufhebung des Lesungs- und Veranstaltungsbetriebs wenig über die zeitgleiche literarische Produktion aussagt, ist nicht mehr als eine Binsenweisheit. Die Ökonomie des Schöpferischen geht nicht auf in den Faktoren ihrer Verbreitung. Doch es zeigen sich Durchlässigkeiten: „Schreiben ist Veröffentlichen“, formuliert es Elke Erb und macht so Fragen der Gestaltung als Momente des Übergangs von einem unvordenklichen Innen zu einem „spruchreifen“ Außen erfahrbar. Hier deutet sich zudem eine mögliche Unterscheidung zwischen „Formen“ (die literarische sind) und „Formaten“ an (die eher den Literaturbetrieb betreffen).
Aber was ist das überhaupt für eine kryptische Kategorie, dieser sogenannte „Literaturbetrieb“, über den allenthalben geschimpft wird und der doch der einzige Ort ist, an dem die Erfahrung einer „öffentlichen Veröffentlichung“ gemacht werden kann? Und wie lässt sich vor diesem Horizont der Hort des Eigenen gegenüber dem Diktat der Sichtbarkeit verteidigen? Wie tragfähig sind die vielbeschworenen Netzwerke und wie unbarmherzig die Erfordernisse der Eventkultur? Wie kristallisieren sich Haltungen heraus, wie multiplizieren sich Vorurteile? Und schließlich: Wie gehen wir miteinander um, wenn draußen alles drunter und drüber geht?
Irgendwo zwischen diesen Schollen treibend und doch auf einem noch unbesetzten Stück Land, tritt unser Seminar zu seiner Erkundungsfahrt an, nicht zuletzt mit dem Anspruch, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen und sich dabei an konkreten Problemen zu reiben - so frei wie möglich und so peinlich wie nötig. Daneben widmen wir uns in besonderer Weise jenen Werken, die schon a priori auf institutionskritischen Überlegungen aufbauen: mit Sprachwitz, rebellischem Temperament und ketzerischer Intelligenz.


Ein Reader wird bereitgestellt. Ein paar Lektürevorschläge:


Ingeborg Bachmann / Paul Celan: Herzzeit. Der Briefwechsel. Hrsg. von Bertrand Badiou, Hans Höller u.a. Suhrkamp 2008.
Thomas Bernhard / Sigfrid Unseld: Der Briefwechsel. Hrsg. von Raimund Fellinger, Martin Huber u.a. Suhrkamp 2009.

Thomas Bernhard: Wittgensteins Neffe. Eine Freundschaft. Suhrkamp 1982.
Johanna Borek: „Der Übersetzer ist weiblich und damit unsichtbar. Übersetzen als ein Herrschaftsverhältnis, unter anderem.“ In: Quo vadis Romania? Zeitschrift für eine aktuelle Romanistik 7 (1996), S. 27–33.
Thomas Brasch: „Ich merke mich nur im Chaos“ - Interviews 1976-2001. Hrsg. von Martina Hanf und Annette Maennel. Suhrkamp 2008.
Rolf Dieter Brinkmann: Rom, Blicke. Rowohlt 1979.
Franz Josef Czernin / Ferdinand Schmatz: Die Reise: In achtzig flachen Hunden in die ganze tiefe Grube. Droschl 1987.
Mara Genschel: Material: Ausflüge ins Werk. Hrsg. von Bertram Reinecke. Reineke & Voß 2015. (u.a. von Mara Genschel)
Ernst Jandl: Mein Gedicht und sein Autor. Bd. 6 der Werkausgabe. Hrsg. von Klaus Siblewski. Luchterhand 2016.

Norbert C. Kaser: es bockt mein herz. Überlebenstexte. Hrsg. von Christian Pixis. Reclam 1993.

Norbert C. Kaser: Das Kaser Lesebuch. Hrsg. von Hans Haider. Haymon 1993.

 

Anmerkungen

Die  Sitzungen am 5. und 6. November finden via Zoom statt.

Termine

08. Oktober 2020, 12:00–17:00
09. Oktober 2020, 12:00–17:00
05. November 2020, 12:00–17:00 Distance Learning (laut Beschreibung) , „Via Zoom“
06. November 2020, 12:00–17:00 Distance Learning (laut Beschreibung)
03. Dezember 2020, 12:00–17:00 Distance Learning (laut Beschreibung)
04. Dezember 2020, 12:00–17:00 Distance Learning (laut Beschreibung)

LV-Anmeldung

Bis 30. September 2020, 23:59
Per Online Anmeldung

Mitbelegung: möglich

Besuch einzelner Lehrveranstaltungen: möglich