"Kleine Buchstaben
genaue
damit die Worte leise kommen
damit die Worte sich einschleichen
damit man hingehen muss
zu den Worten
sie suchen in dem weißen
Papier
leise
man merkt nicht wie sie eintreten
durch die Poren
Schweiß der nach innen rinnt"
(Hilde Domin, Drei Arten Gedichte aufzuschreiben, 2.)

Ein Gedicht ist eine Fassung für etwas, das zu viel ist für eine Fassung. Ein Gedicht ist ein von Umbrüchen durchzogenes Denken. Ein Gedicht ist ein Pflaster für eine offene Wunde und zugleich die Wunde. Etc.

Natürlich weiß auch der Dozent nicht genau, was ein Gedicht ist – er ist aber davon überzeugt, dass ein Gedicht vieles kann, vieles sein kann. In der Einführung werden daher unterschiedlichste Ansätze, Poetiken und Gedichtformen vorgestellt und diskutiert, vor allem anhand von gemeinsam gelesenen Texten. Diese werden von veröffentlichten Lyriker*innen und möglichst oft auch von den Student*innen selbst stammen, die jederzeit ihre eigenen Texte mit einbringen können.

Wichtig ist, wenn es um die Texte der Studierenden geht, der Werkstattcharakter des Seminars; die mitgebrachten Texte müssen nicht brillieren oder vollkommen überzeugen, sondern sollen Verfahren aufzeigen, Ideen vertiefen und die Auseinandersetzung mit den Texten soll eine Weiterentwicklung ermöglichen. Mehr als jede andere Gattung lädt das Gedicht zum Ausprobieren ein, denn es ist schnell begonnen – und sehr schwer "fertigzustellen", das wusste schon Ernst Jandl:

"es ist noch nicht gut
und du mußt daran noch arbeiten
aber es stürzt nicht die welt ein
wenn du es dabei beläßt
es stürzt nicht einmal das haus ein"
(Ernst Jandl, dieses gedicht)

Falls jemand schon einen Text zum ersten Seminartermin mitbringen will, möge er*sie bitte ein Exemplar an meine Mailadresse schicken.