Praxen - Kunst als Kritische Praxis

Tanja Widmann
Institut für Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung, Kunst und Kommunikative Praxis
2018S, Seminar (SE), 2.0 SemStd., LV-Nr. S02051

Beschreibung

Postapokalyptische Geste. Ein Science Fiction 3

Das Projekt verläuft über vier Semester. Im ersten Semester (SoSe 2017) untersuchten wir ausgehend vom so genannten Theater der Unterdrückten von Augusto Boal die Formengeschichte des griechischen Theaters. Begleitend wurden Formen der Theatralität in gegenwärtigen und historischen Filmen und TV-Serien – Westworld (USA 2016), La Belle et La Bete/Die Schöne und das Biest (F 1946, R: Jean Cocteau) diskutiert. Durch das Video der polnischen Künstlerin Zofia Kulik Open Form (Face) (1971) und die documenta14 in Athen wurden die Verfahrensweisen des Scores und der offenen Form in den Blick gerückt. Zudem wurden zeitgenössische Produktionsmaschinen, wie sie etwa Instagram und Mems darstellen, als mögliche Formate der Äußerung herangezogen.

Das zweite Semester (WiSe 2017/18) war so konzipiert: Es geht nun im Weiteren v.a. um das Entwickeln eines Formenvokabulars, das sich aus einer Untersuchung des Theaters entwirft, sich aber zugleich mit den Fragen der Kunst befasst. Von Boal aus weitergehend sehen wir uns dieses Semester die Theaterpraxis von Brecht an, vor allem auch dessen Einsatz des Posters als Displayelement im Bühnenraum. Das Poster interessiert uns als ästhetisches Objekt, das Fragen von Innen/Außenraum, Vordergrund/Hintergrund, Serialisierung und Original, 2 und 3Dimensionalität aufwirft. In Bezug auf den historischen Einsatz und in Fortführung der Untersuchung der Formate Instagram und Mem interessiert uns vor allem das Formenvokabular der Montage und der Pointe.

Georgie Nettel, eine Künstlerin, die sich in ihren Arbeiten mit spezifische Fragen zeitgenössischer Kunst wie etwa die Distribution und Zirkulation von Bildern und Zeichen, deren Entleerung und Aufladung, auseinander setzt, greift In ihren letzten Arbeiten wiederholt auf das Format des Posters zurück. Siehe etwa: http://www.artwritingdaily.com/2016/12/georgie-nettell-at-reena-spaulings.html

Nettel hat im Rahmen des Seminars einen einwöchigen Workshop im November abhalten.

JETZT

Im dritten Semester (SoSe 2018) sollen die gegebenen Fragestellungen und entworfenen Produktionsformen als Ausgangspunkt für Arbeiten nach dem Prinzip der Collage/Montage genommen werden: schneiden, zerlegen, neu zusammenfügen, umbauen. Dabei stehen alle Formate von Text, Zeichnung, (bewegtes) Bild offen, skulpturale Elemente/Props werden in einem neukonfigurierten Subjekt/Objekt Verhältnis gedacht. Ausgangspunkt der enger geführten Fragestellung ist diesmal das Subjekt in einer postapokalyptischen Welt. Wir setzen hier bei Donna Haraways Konzept der Cyborg an und denken sie in den gegenwärtigen biotechnologischen, institutionellen und ökonomischen Verknüpfungen, um die konkrete Handlungsmacht eines vernetzten Selbst in den Blick zu bekommen. „Denn wir sind bereits eigentümlich miteinander verbunden, stehen nicht als Ganzheiten nebeneinander, während humane und inhumane Elemente sich untrennbar miteinander verketten – Kommunikation, Denken, Mobilität usw. erweitern sich durch Medien und Devices, die Teil der Subjektivität sind, Subjekt(e) und Welt miteinander vermengen.“

Das filmische Format liefert unterschiedliche Möglichkeiten des Zugangs – Set, Script, Props, Bild- und Tonproduktion, usw. Ein Text der schwarzen Science Fiction Autorin Octavia Butler bietet die Rahmenhandlung und Vorlage. Wir testen u.a. unterschiedliche Schreibformate wie automatisches Schreiben, Selbstbeobachtung und Zugänge zu einer kollektiv angelegten Produktion.

Anja Kirschner ist eine Künstlerin, deren Filme sich auf faktische, literarische, und pop-kulturelle Quellen beziehen und sich mit Materialität, Digitalität, Narrativität und deren Anteil an der (De)Formation von Subjektivitäten und politischer Handlungsmacht auseinandersetzen. Ihr letzter Film Moderation (2016), der in Ägypten, Griechenland und Italien situiert ist, entwirft sich rund um eine weibliche Horrorfilm- Regisseurin und deren Mitarbeiter*innen. „Combining low-fi special effects with hand-held video, mobile phone and Skype footage, the film unleashes a disintegrating and destabilizing vision of lived experience contaminated by material, virtual and temporal glitches.“ Siehe auch: http://anjakirschner.com/ und https://www.secession.at/exhibition/kirschner-panos/ Derzeit arbeitet sie an einem practice-based PhD am Royal College of Art in London mit dem Arbeitstitel “A Gate Through Which The Boundaries Slip: Queer-Feminist Approaches to New Materialism and Fiction Writing in the Field of Contemporary Moving Image.”

Kirschner wird im Rahmen des Seminars einen einwöchigen Workshop abhalten, der dz wie folgt umrissen wird (eine genauere Ankündigung folgt noch vorab):

Der Workshop verfolgt Strategien und Ansätze für experimentelle Filmszenografie bei der die Szenerie im Vordergrund steht und als eigentliche Protagonistin fungiert. Ausgehend von den drei Schwerpunkten Landschaft, Interieur und Objekt wird eine doppelte Fragestellung erforscht, nämlich, wie lässt sich ein denkendes, fühlendes und handelndes Subjekt durch (vermeintlich) unbelebte Objekte portraitieren und wie destabilisiert und erweitert ein solches Portrait die herkömmliche Konzeption des Subjekts selbst?

Durch Beispiele aus der künstlerischen Praxis Anja Kirschners und der von anderen KünstlerInnen im Bereich Moving Image und Expanded Cinema (Basma Alsharif, Karrabing Film Collective, Hito Steyerl, Masao Adachi, Jacky Connolly u.a.) wird das Eigenleben von Szenerie und Requisiten anschaulich gemacht, und theoretisch an Diskurse geknüpft die sich mit feministischen Ansätzen zu New Materialism, Ökologie und Nicht- bzw. Nach-Menschlichem befassen.

Im vierten Semester (WiSe 2018/19) soll eine Ausstellung stattfinden und ein kleiner Katalog produziert werden, die die gegebenen Auseinandersetzungen und Formgebungen zusammenführt.

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Die Geste ist die Bewegung, die uns anleitet. Sie führt uns von Giorgio Agamben zu Bertolt Brecht, Walter Benjamin und in den sowjetischen Produktivismus, zum Theater der Unterdrückten von Augusto Boal und zurück in die Gegenwart, in der das Bürgertum nach Agamben die Gesten bereits lange verloren hat, diese vielleicht aber auch in ihrer ethischen Form wieder gefunden werden können. Die Geste setzt zudem das Link zwischen Alltag, Theater und Film.

Science Fiction ist das Genre, auf das wir uns beziehen werden. Ausgehend von einer konkreten Vorlage werden wir versuchen diese in den Formen des Theaters und des Films umzusetzen. Dabei gilt es aber auch die spezifische Form des Science Fiction zu untersuchen und gegenwärtige Artikulationen zu reflektieren.

Prüfungsmodalitäten

Kontinuierliche Anwesenheit. Mitarbeit an den gemeinsam entwickelten Formaten. Der Schwerpunkt in diesem Seminar liegt in der Entwicklung einer künstlerischen Arbeit.

 

 

Anmerkungen

Dieses Seminar wird in Zusammenarbeit mit Johannes Porsch abhalten.

Die Gruppe der Studierenden wir auf max. 15 Personen beschränkt, um eine entsprechende Auseinandersetzung gewährleisten zu können.

Der Workshop Termin wird noch vereinbart.

Aufbauend auf Künstlerische Projektarbeit - Kunst als Kritische Praxis. Nur in Kombination möglich.

Termine

09. März 2018, 12:00–13:30
16. März 2018, 12:00–13:30
23. März 2018, 12:00–13:30
13. April 2018, 12:00–13:30
13. April 2018, 19:00–22:00 Seminarraum 8 , „ZUSÄTZLICHER TERMIN / SCREENING“
20. April 2018, 12:00–13:30
27. April 2018, 12:00–13:30
04. Mai 2018, 12:00–13:30
04. Mai 2018, 19:00–20:00 Seminarraum 8 , „ZUSÄTZLICHER TERMIN / SCREENING“
11. Mai 2018, 12:00–13:30
18. Mai 2018, 12:00–13:30
25. Mai 2018, 12:00–13:30
01. Juni 2018, 12:00–13:30
01. Juni 2018, 19:00–22:00 Seminarraum 8 , „ZUSÄTZLICHER TERMIN / SCREENING“
08. Juni 2018, 12:00–13:30
15. Juni 2018, 12:00–13:30
22. Juni 2018, 12:00–13:30

Lehramt: Unterrichtsfach kkp (Bachelor): Künstlerische Praxis (kkp): FOR: Technologien / Praxen (kkp) (2.0 ECTS) 067/001.21

Mitbelegung: nicht möglich

Besuch einzelner Lehrveranstaltungen: nicht möglich