EMPATHIE - Zur Beanspruchung der Einfühlung

Thomas Edlinger
Institut für Kunst und Gesellschaft, Kunst- und Wissenstransfer
2017W, Seminar (SE), 2.0 SemStd., LV-Nr. S02174

Beschreibung

Der Künstler Harun Farocki meinte einst über Empathie: „Dieses Wort gehörte zur Gegen-Partei. Ich hatte von Brecht gelernt, nicht so romantisch zu glotzen.“ Der junge Filmemacher versuchte um 1968, die Passivität der Einfühlung in die Aktivität des politisches Handeln zu verwandeln. Ein tatsächlicher Politiker, Ex-US-Präsident Barack Obama, hielt die Bekämpfung des von ihm beklagten Empathiedefizits für dringlicher als die Linderung des Budgetdefizits. Dem Politikappell nach einer Umerziehung der Gefühle korrespondiert heute der Wunsch nach einer Lebenskunst der Einfühlung in sozial engagierten Plattformen, die Empathie als „Brücke zum Herzen“ preisen. Viele NGO´s verstehen Empathie als sozialen Klebstoff: „Wir schaffen das!“


Die Fähigkeit, in die Haut des anderen zu schlüpfen, wie Obama die Empathie definiert, wurde zum moralischen Ideal, das die Rede von der christlichen Nächstenliebe beerbt und etwa auch von Künstlern wie Ai Weiwei bedient wird, indem er mit großen Medienecho das Foto eines dreijährigen ertrunkenen Flüchtlingskinds nachstellt. Negativ gewendet, nährt die Einmahnung der Empathie den Verdacht, sie müsse weniger als Bemühung um mehr Nähe, sondern eher als ein Symptom für die Abdankung der politischen Kategorie der Solidarität verstanden werden: Wer kein alternatives Programm hat, will und kann zumindest ein Gefühl mobilisieren.

Der Wunsch nach einer wahrhaften, nicht exotisierenden, Empathie erschallt in einer Gesellschaft, die von der Politik der Entsicherung geprägt ist und mit alarmistischen Narzissmusbefunden beschrieben wird. Zugleich treten Cultural Appropriation-Vorwürfe und sich verschärfende identitätspolitische Diskurse auf den Plan, die neben Kritik auch Schuld und Scham produzieren und die Möglichkeiten tatsächlicher Empathie auf Seiten der angeblichen oder tatsächlichen Profiteure der herrschenden Verhältnisse in Zweifel ziehen.

Andererseits macht die Einfühlung weder gleich noch folgt aus ihr automatisch eine Verbesserung einer Situation. Denn Einfühlung basiert nicht nur auf einer attestierten Ähnlichkeit, sondern auch auf deutlichen, oft hierarchischen Unterschieden zwischen Empathiegebenden und Empathieempfangenden. Zudem ist ihre Übersetzung in Medientechniken heute zum fragwürdigen kulturindustrieller Standard von First-Perpective-Simulationen geworden. Die Rede von der Einfühlung führt also auf dünnes Eis: Empathie ist eine ebenso notwendige wie (selbst-)betrügerische Kategorie.

Das Seminar versucht angesichts kursorischer Lektüren und ausgewählter Beispiele aus der künstlerischen Produktion das Problemfeld der Einfühlung zu skizzieren. Die Mechanismen der Empathie, ihre Ziele und ihre Funktionen sollen veranschaulicht und auf ihre Bedeutung in in Kunst, Kultur Moral und Politik untersucht werden.

Prüfungsmodalitäten

Zum Zeugniserwerb sind erforderlich:

regelmäßige Teilnahme und Mitarbeit

Prüfungsgespräch und Prüfungsarbeit 

 

 

Anmerkungen

Das Seminar wird an wenigen Blockterminen stattfinden. Eine oder mehrere Exkursion sind geplant und werden noch rechtzeitig bekanntgegeben. Sie ersetzen dann einen oder mehrere der eingetragenen Blocktermine.

Termine

05. Oktober 2017, 10:15–12:45 Seminarraum 13 (Vorbesprechung)
18. Oktober 2017, 10:15–14:30 Seminarraum 16
15. November 2017, 10:15–14:30 Seminarraum 16
13. Dezember 2017, 10:15–14:30 Seminarraum 16
17. Jänner 2018, 10:15–14:30 Seminarraum 16
24. Jänner 2018, 10:15–12:45 Seminarraum 16 (Prüfung)

LV-Anmeldung

Bis 05. Oktober 2017, 10:15
Per E-Mail: thomas.edlinger@uni-ak.ac.at

Lehramt: Unterrichtsfach kkp (Bachelor): Wissenschaftliche Praxis: FOR: Lehrveranstaltungen nach Wahl aus Wissenschaftliche Praxis (4.0 ECTS) 067/003.80

Lehramt: Unterrichtsfach dex (Bachelor): Wissenschaftliche Praxis: FOR: Lehrveranstaltungen nach Wahl aus Wissenschaftliche Praxis (4.0 ECTS) 074/003.80

TransArts - Transdisziplinäre Kunst (Bachelor): Theoretische Grundlagen: Theoretische Grundlagen (4.0 ECTS) 180/003.01

Mitbelegung: möglich

Besuch einzelner Lehrveranstaltungen: möglich