Künst. Projektarbeit I // Künstlerische Proj. 1 - Künstlerische Praxisformen

Barbara Graf
Institut für Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung, Textil - Freie, angewandte u. experiment. künstl. Gestaltung
2016W, Seminar (SE), 2.0 SemStd., LV-Nr. S01285

Beschreibung

Ersttermin: Mittwoch, 12. Oktober 2016, 13.30-17.00, Klassenraum Textil
jeweils am Mittwoch: 13.30-17.00
TeilnehmerInnen: max. 14, verbindliche Anmeldungen per mail
(wegen des Ausfalls der Termine vom 26.Okt, 2.Nov. und 16.Nov. werden unter Absprache einige Spezialtermine ausgemacht (z.B. für gemeinsame Museumsbesuche))

Texere, zum Beispiel

Sprachliche Repräsentionen des Textilen im Verhältnis zu textilen Formationen und Strukturbildungen

Ausgangspunkt des Seminars bildet die Untersuchung von textilen Metaphern im Verhältnis zu ihren materiellen Erscheinungen. Der Titel des Seminars steht programmatisch und beispielhaft für das Spannungsfeld der Auseinandersetzung: der Begriff texere (lat. weben) bildet die Grundlage für die textile Strukturbildung des Gewebes, steht aber auch für das Verweben von Wörtern und wird so zum Text. Die Literatur und die Alltagssprache sind durchdrungen von textilen Sprachbildern. Eine besondere Position nimmt die Metapher des Netzes oder der Vernetzung ein und ist in allen Lebensbereichen und Disziplinen zu einer kulturellen Leitmetapher geworden und das nicht erst durch das World Wide Web. Dieses wurde in seinem ersten Projektentwurf von 1989 noch Mesh (engl. Geflecht) genannt.

Wie ist es nun, wenn wir sprachliche textile Bilder nicht nur als Verdeutlichung eines Vorgangs begreifen, sondern sie nach ihrem Ursprung untersuchen oder ihrem poetischen Potenzial nachgehen? Wie können textile Metaphern – wörtlich genommen oder in der Rückbindung an ihre Herkunft – in künstlerischen Arbeiten produktiv gemacht werden? Welche neuen Bedeutungen können generiert werden bei der Verschiebung eines Bildes in einen anderen Zusammenhang, in ein anderes Medium? Können gerade die Unschärfen im sprachlichen Gebrauch von Metaphern eine Ressource für künstlerische Arbeiten sein?

Textile Metaphorik ist auch in der Philosophie, der Psychoanalyse oder den Kulturwissenschaften prominent. Elisabeth Bronfen beschreibt in ihrem Buch Das verknotete Subjekt das Trauma des Subjekts als einen „verschlungenen Knoten von Erinnerungsspuren“1. Oder Michel Foucault – sich auf Gilles Deleuze beziehend – verwendet das Bild des Vorhangs im Text Der Ariadnefaden ist gerissen, nimmt dabei das Bild des Theaters auf und bezeichnet den „so fest gedachten Faden als zerrissen“2. Endlos ließe sich dieser Faden weiterspinnen, etwa mit den Begriffen der Naht (suture) oder des Stepppunktes (point de capiton) von Jacques Lacan.

Auch bei Allegorien finden sich Repräsentationen des Textilen. So etwa im Tactus (ca. 1544) von Georg Pencz aus der Serie: Die fünf Sinne. Das Bild zeigt eine webende Frau und eine Spinne im Netz. Die Spinne, die jede kleinste Erschütterung der Fäden seismographisch wahrnimmt, und die Weberin, die mit einer Hand die Kettfäden tastend berührt, verkörpern in dieser Kombination den Tastsinn.

Vor dem Hintergrund und mit kritischer Reflexion des sogenannten material turns – der Hinwendung zur Materialität oder zum Leben der Dinge – gehen wir im Seminar dem Potenzial und der Aufladung des Textilen nach: als Denkfigur und materielle Kultur. In einer Verflechtung von materiellem Tun und theoretischer Praxis kann uns dieser rote Faden dazu verleiten, uns in Verstrickungen zu begeben, einen Knoten zu lösen, grob- oder engmaschige Untersuchungen anzustellen, einen Gedankenfaden zu spinnen, einen Vorgang nach Strich und Faden zu überprüfen, einen Ausdruck gegen den Strich zu bürsten oder genauer hinzuhören, wenn jemand mit samtener Stimme spricht.

1 Elisabeth Bronfen, Das verknotete Subjekt - Hysterie in der Moderne, Verlag Volk & Welt Berlin, 1998
2 Ariane s’est perdue, 1969, in: Gilles Deleuze, Michel Foucault, Der Faden ist gerissen, Merve Verlag Berlin, 1977

Prüfungsmodalitäten

Präsentation der künstlerischen Arbeit zum Semesterende, bzw. am Anfang des nächsten Semesters, Abgabe der Arbeit in digitaler Form (den Angaben für das Archiv entsprechend)

Anmerkungen

Kombination/Verschränkung der Seminare Künstlerische Projektarbeit I und III (Künstl. Projekte 1 und Künstl. Praxis), regelmäßige und aktive Teilnahme, Erarbeitung eines künstlerischen Projektes. 

Dieses Seminar (bestehend aus den zwei Teilen) ist in dieser Kombination auch anrechenbar für die IT Phase als Projektseminar /Forschung (4 ECTS). Aus diesem kann die BA Arbeit entwickelt werden, für die dann nochmals 2 ECTS Punkte zusätzlich vergeben werden

Schlagwörter

Textile Metaphern, Repräsentationen des Textilen, Allegorien, Materielle Kultur, Faden, Verweben, Vernetzen

Termine

12. Oktober 2016, 13:30–17:00 Klasse TEX
19. Oktober 2016, 13:30–17:00 Klasse TEX
09. November 2016, 13:30–17:00 Klasse TEX
23. November 2016, 13:30–17:00 Klasse TEX
30. November 2016, 13:30–17:00 Klasse TEX
07. Dezember 2016, 13:30–17:00 Klasse TEX
14. Dezember 2016, 13:30–17:00 Klasse TEX
11. Jänner 2017, 13:30–17:00 Klasse TEX
18. Jänner 2017, 13:30–17:00 Klasse TEX
25. Jänner 2017, 13:30–17:00 Klasse TEX
01. Februar 2017, 13:30–17:00 Klasse TEX

LV-Anmeldung

Bis 09. Oktober 2016, 22:00
Per E-Mail: bar.graf@aon.at

Mitbelegung: nicht möglich

Besuch einzelner Lehrveranstaltungen: nicht möglich